Roberto Chelo wurde am 27. November 1959 in Padria, in der Provinz Sassari, geboren. Er war das fünfte von sechs Kindern von Antonio Chelo und Maria Pasqua Manca.
Schon als Kind fühlte sich Roberto eng mit seinen familiären und kulturellen Wurzeln verbunden. Gerne begleitete er seinen Vater auf die Felder oder half die Schafe einzutreiben. Sein Vater war ihm immer ein wichtiges Vorbild und Roberto teilte zeitlebens dessen Werte wie den Respekt gegenüber der Natur oder die Hingabe zur Arbeit. Ohne jemals seine bescheidene Herkunft zu vergessen, bezeichnete er sich gerne stolz als “einen Hirten, der zum Gastronomen wurde”.
Im Alter von nur neun Jahren wurde sein Leben durch einen Schlaganfall seiner Mutter erschüttert. Während ihrem langen Aufenthalt im Spital kümmerte sich die ältere Schwester Paolina um die fünf jüngeren Brüder. Trotz der Schwierigkeiten hielt die Mutter nach ihrer Rückkehr immer die Fäden zu Hause zusammen. Mit ihrem grossen Familiensinn bewirtete sie jeden Sommer alle Verwandten, die vom Festland angereist kamen. Stets hielt sie für alle eine gedeckte Tafel und eine warme Mahlzeit bereit. Von ihr erbte Roberto die Leidenschaft für das Kochen, die er Jahre später auch an seine eigene Familie weitergab.
In seiner Jugend war Roberto ein begeisterter Fussballer. Er war der jüngste Spieler, der in die Fußballmannschaft von Padria berufen wurde. Jahre später war er der älteste, der sich zurückzog. Mit der Rückennummer 10 spielte er im Angriff und war viele Jahre lang der Kapitän der Mannschaft. Daneben spielte er auch liebend gerne Tennis. Zuerst in Padria, welches als eines der ersten sardischen Dörfer einen Tennisplatz baute und später auf vielen anderen Tennisplätzen. Seine Begeisterung für das Tennisspiel begleitete ihn bis an sein Lebensende. Die legendären Mixed-Doppel-Partien mit seinen Freunden schenkten ihm viele unbeschwerte und vergnügte Momente.
Der frühe Tod seiner Mutter im Jahr 1980 und jener seines Vaters sieben Jahre später, zwangen Roberto, auf eigenen Füssen zu stehen. Sein erster Sommerjob fand er am Strand von Bosa, wo er als «Bagnino» arbeitete und bei der Vermietung von Pedalos mithalf. Er absolvierte die Technische Fachoberschule in Macomer und begann gleichzeitig, während der Sommerferien, als Commis de Rang im Hotel Roccaruja in Stintino zu arbeiten. Dort entdeckte er sein Talent für die Gastfreundschaft. Nach dem Matura Abschluss im Jahr 1978 beschloss er, eine Karriere in der Hotellerie anzustreben.
Es folgten Wanderjahre. Im November 1984 zog er nach London, wo er seine Gastgeber-Fähigkeiten weiterentwickelte und mit viel Offenheit Einblick in verschiedene Kulturen, Sprachen und Küchen erhielt. Er arbeitete im renommierten Privatclub “White Elephant on the River” sowie im «Annabell’s», wo er bald eine verantwortungsvolle Position übernehmen konnte. Parallel zu seiner Arbeit besuchte er eine Sprachschule und belegte Gastronomie-Kurse, um sich laufend weiterzubilden. Nach zweieinhalb Jahren in der englischen Metropole kehrte er in sein geliebtes Sardinien zurück und begann im «Hotel Cervo» an der Costa Smeralda zu arbeiten. Für mehrere aufeinanderfolgende Saisons kehrte er dann immer wieder dorthin zurück. Es folgte ein unbeschwerter Sommer im Jahr 1990, wo er im Restaurant «La Fattoria» in Porto Cervo viele tiefe Freundschaften knüpfte, die ein Leben lang halten sollten. 1991 war er für die Eröffnung des Hotels «Le Rose» in San Teodoro verantwortlich und im Jahr darauf kam er ins Hotel «Due Lune» in Puntaldìa, wo er seine in der Luxushotellerie erworbene Erfahrung voll entfalten konnte. Mit viel Hingabe leitete er dort das Hotel-Restaurant.
Nach den Sommersaisons in Sardinien reiste Roberto jeweils für die Wintersaisons in die Berge. Nach einem Winter in La Thuile, wo ihn das raue Klima beeindruckte, zog er schliesslich ins renommierte «Gstaad Palace» in der Schweiz. Seine Familie hatte sich bereits mit dem Gedanken abgefunden, dass Roberto ledig bleiben würde, als er sich dort im Winter 1993/94 in seine Arbeitskollegin Claudia Schletti verliebte. Im Frühjahr 1995 überzeugte er sie, ihm für die Sommersaison nach Sardinien ins Hotel «Due Lune» zu folgen. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden funktionierte perfekt: Roberto war für das Restaurant verantwortlich und Claudia leitete die Reception. Für die anspruchsvolle internationale Kundschaft wurden sie bald zu einem wichtigen und geschätzten Bezugspunkt. Auch im Privatleben festigte das junge Paar ihre Beziehung, die auf grossem Respekt und tiefer Liebe basierte.
In diesen Jahren entdeckten Roberto und Claudia auch ihre Leidenschaft für das Reisen. Anstatt im Winter nach Gstaad zurückzukehren, entschieden sie sich, die Welt mit dem Rucksack zu erkunden. Ihre erste große Reise dauerte drei Monate und führte sie nach Mittelamerika, wo sie Mexiko, Guatemala, Honduras, Nicaragua und Costa Rica durchquerten.
Im nächsten Winter reisten sie nach Nepal, wo sie lange Wanderungen zwischen den majestätischen Gipfeln des Himalayas unternahmen. Auf der anschliessenden Reise in den Norden Indiens kam in Roberto der Wunsch auf, ein eigenes Lokal zu eröffnen. Nach ihrer Rückkehr im März 1999 fand er den perfekten Ort, um seinen Traum zu verwirklichen: Das «Portolano» in Porto San Paolo, südlich der sardischen Hafenstadt Olbia. Die Eigentümer des Lokals übergaben Roberto die Pacht und schenkten ihm vollstes Vertrauen. Nur zwei Monate nach Abschluss der Verhandlungen öffnete das Restaurant unter der Leitung von Roberto seine Türen. Unterstützt wurde er dabei von Claudia und zwei Köchen. Obwohl die ersten Monate nicht viel Kundschaft brachten, gingen Roberto und Claudia ihren Weg mit viel Geduld und Ausdauer weiter. Die Saison endete mit einem bescheidenen Erfolg. Dieser reichte aus, um den Vertrag zu verlängern und sich voll und ganz auf dieses neue Projekt zu fokussieren. Gleichzeitig beschlossen sie, ein kleines Haus in Porto San Paolo zu kaufen und sich dort endgültig niederzulassen.
In dieser Zeit wuchs in Roberto auch der Wunsch, eine Familie zu gründen. Am 1. März 2001 heirateten er und Claudia auf dem Standesamt von Zweisimmen und nur wenige Tage später wurde ihre erste Tochter Chiara geboren. Im November 2003 erblickte schliesslich auch Tochter Julia das Licht der Welt.
Roberto und Claudia bestritten ab sofort nicht nur die Arbeit, sondern auch das Familienleben gemeinsam. Sowohl im Restaurant wie auch zu Hause teilten sie sich die Aufgaben auf. Roberto war ein liebevoller Vater, der im Leben seiner Töchter stets präsent war und ihnen eine friedliche und sichere Umgebung schuf. Von klein auf begleitete er sie bei ihren ersten Abenteuern, sei es bei langen Schwimmrunden im klaren Meer Sardiniens oder bei den ersten Ski-Abfahrten am schönen Rinderberg in Zweisimmen. Daneben war er ein begnadeter Geschichtenerzähler, der seinen Töchtern dabei immer mit viel Fantasie seine ihm wichtigen Werte vermittelte. Als Vater wurde er im Laufe der Jahre vom Spiel- und Abenteuergefährten zu einem aufmerksamen Vertrauten. Seine ruhige und gelassene Art machten die Gespräche mit ihm besonders wertvoll.
Im «Portolano» folgte eine Saison auf die andere. Roberto und Claudia gingen in ihrer Rolle als Gastronomen und Gastgeber voll auf. Mit viel Liebe und Gemüt kümmerten sie sich um jedes Detail und verwandelten das Restaurant in einen Ort der Begegnung, wo sich alle Gäste willkommen fühlten. Nicht nur die Stammkundschaft wuchs stetig an, sondern auch das Team der Mitarbeitenden, zu welchen sich im Laufe der Zeit zahlreiche Nichten, Neffen und später auch die eigenen Töchter gesellten. Das familiäre Arbeitsklima war Grund für die gute Atmosphäre und ein Markenzeichen des «Portolanos».
Ein bedeutender Meilenstein für das „Portolano“ und somit auch für Roberto war das Jahr 2012, als nach Jahren des Wartens die langersehnte Genehmigung zur Erweiterung der Küche erteilt wurde. Die neue, moderne und nach den besten Standards ausgestattete Küche ermöglichte endlich reibungslose Arbeitsprozesse. Die Gäste kehrten jedes Jahr zurück, wurden zu Stammgästen und schliesslich zu Freunden, während immer neue Gäste dazukamen. Das „Portolano“ war nun ein Fixpunkt in Porto San Paolo – einem Ort, an dem sich sowohl Einheimische wie auch nationale und internationale Kunden trafen. Roberto begrüßte alle mit seinem unverwechselbaren Lächeln, seiner natürlichen Eleganz und seiner Bescheidenheit, so dass sich jeder Gast wie zu Hause fühlte. Auch für sein Team war er mit seiner Hingabe zur Arbeit und zur Gastfreundschaft immer ein grosses Vorbild.
Bis ins Jahr 2013 zog die Familie zwischen Weihnachten und Mitte März nach Blankenburg ins Berner Oberland, wo sie im Haus der Schwiegereltern jeweils die Winterzeit verbrachten. In den ersten drei Jahren arbeitete Roberto weiterhin saisonal im «Gstaad Palace». Danach nutzte er die Winterpause, um mehr Zeit mit der Familie und seinen Freunden verbringen zu können. Durch seine Aufnahme in Claudias Familie entdeckte Roberto eine neue Leidenschaft: das Skifahren. Mit Claudia als Lehrerin wurde er schnell zu einem begeisterten Skifahrer, der bald jede Piste meisterte. Das Lob seines Schwiegervaters Ueli lautete jeweils: „Schweizer Tempo, sardischer Stil!“. Im gemütlichen Chalet Schletti in den Schweizer Bergen konnte sich Roberto gut von den strengen Sommersaisons in Sardinien erholen: Er kochte für die Familie, genoss gutes Essen mit einem Glas Wein und verbrachte entspannte Abende vor dem Kamin, oft mit einem Buch in der Hand. Während dieser Zeit in den Bergen schöpfte er jeweils die Kraft, um jeden Frühling mit frischem Elan das «Portolano» wiederzueröffnen.
Im Januar 2017 wurde bei Roberto Mundbodenkarzinom diagnostiziert. Entschlossen stellte er sich dieser schwierigen Herausforderung und entschied sich für eine Behandlung im Krankenhaus «San Raffaele» in Mailand. Dort unterzog er sich sechs Bestrahlungs-Zyklen in Kombination mit einer Chemotherapie. Dank der medizinischen Behandlung und seiner inneren Stärke gelang es Roberto, die Krankheit zu überwinden und seine Kraft und Energie zurückzugewinnen.
Er entschied sich, seiner Gesundheit, sich selber und seiner Familie ab sofort mehr Zeit zu widmen. Aus diesem Grund holte er seinen Neffen Mario nach Porto San Paolo. Mario war nach seiner Ausbildung im „Portolano“ nach Lausanne gegangen, um dort wertvolle Erfahrungen in den Grand Hotels zu sammeln. Mario nahm das Angebot seines Onkels dankend an, kehrte nach Sardinien zurück und wurde Restaurantleiter im «Portolano». Seine Anwesenheit entlastete Roberto und Claudia, so dass Roberto sich mehr auf seine Gesundheit und die Zeit mit seinen Lieben konzentrieren konnte.
Nach der COVID-Pandemie stand Roberto neuen gesundheitlichen Herausforderungen gegenüber, welche teilweise durch die früher durchgeführten Bestrahlungen verursacht waren. Aufgrund einer Dysphagie litt er wiederholt an Lungenentzündungen. Am 27. November 2023, seinem 64. Geburtstag, musste ihm eine Magensonde zur künstlichen Ernährung gelegt werden. Fortan durfte er nichts mehr essen und trinken – eine harte Prüfung für einen Gastronomen, der es liebte, ein gutes Glas Wein und kulinarische Köstlichkeiten zu genießen. Obwohl Roberto seine neue Situation mit großer Würde annahm, verbesserte sich sein Gesundheitszustand nicht wesentlich. Auch im darauffolgenden Jahr musste er zweimal wegen Lungenentzündungen ins Krankenhaus eingeliefert werden. Es folgten weiteren unerklärliche Beschwerden. Sein junges und waches Gemüt waren in einem kranken Körper gefangen. Durch diese schwierige Zeit half ihm die tiefe Verbundenheit mit Claudia, die ihn liebevoll pflegte.
Während er sich seinen Freunden und Gästen im „Portolano“ immer lächelnd und positiv zeigte, bereitete sich Roberto still auf seinen Übergang vor. Im April 2024 entschied er sich, sein Einzelunternehmen in eine Gesellschaft umzuwandeln. Er setzte Claudia an die Spitze und nahm seinen Neffen Mario als Gesellschafter auf. So stellte er sicher, dass das «Portolano» auch zukünftig weitergeführt werden konnte. Er gab Chiara und Julia seinen Segen indem er seine Wertschätzung und Liebe kundtat und dankte Claudia für das gemeinsame Leben.
Am 14. September hörte sein Herz auf zu schlagen. Roberto ging friedlich in die jenseitige Welt über, im Einklang mit sich selbst und seinem irdischen Leben.
Porto San Paolo, 14. Oktober 2024